„Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bitte nehmen Sie Platz. Ich eröffne die Sitzung.“
Mit diesen Worten begrüßt Bundestagspräsident Dr. Wolfgang Schäuble wie so oft auch an diesem Mittwoch die Mitglieder des Deutschen Bundestags. Aber auch ich bin dabei, oben auf der Besuchertribüne, als Praktikantin von MdB Markus Töns – mitten drin im Herzen der deutschen Politik, im Reichstag in Berlin.
Heute auf der Tagesordnung? Die Befragung der Bundesregierung, diesmal mit unserer Bundeskanzlerin Angela Merkel. Und so viel sei schon verraten: Das war mit Sicherheit eines der Highlights meines dreiwöchigen Praktikums im Büro von Markus Töns, der meine Heimatstadt Gelsenkirchen als direkt gewählter Abgeordneter im Bundestag vertritt.
Zurechtfinden im Bundestag
Aber erstmal von Anfang an: Ich mache derzeit mein Abitur und habe in der Zeit zwischen schriftlichem und mündlichen Abitur eine gute Möglichkeit gesehen, durch ein Praktikum bei Markus wertvolle Einblicke in die politische Praxis der deutschen Bundespolitik, in die parlamentarische Arbeit eines Abgeordneten sowie in die Arbeitsabläufe des Deutschen Bundestages zu gewinnen. Fasziniert von dem Gedanken, im Zentrum der modernen Demokratie zu arbeiten und ihre innere Organisation aus nächster Nähe kennenzulernen, trat ich meinen ersten Arbeitstag an – in einer sitzungsfreien Woche. In dieser Zeit sind alle Abgeordneten in ihren Wahlkreisen unterwegs und nehmen dort Termine wahr, so auch Markus. Dies gab mir die Möglichkeit, mich erst einmal in Ruhe in meinem neuen Arbeitsumfeld einzufinden. Das war gar nicht so einfach, denn nicht alle politischen Vorgänge finden im Reichstag statt und es hat ein wenig gedauert, bis ich mich in den vielen Gebäuden zurecht fand, die durch mehrere Tunnel und Brücken zu einem großen Gebäudekomplex verbunden sind. Mit meinem Hausausweis hatte ich dabei Zugang zu allen Gebäuden und konnte mich überall frei bewegen. Das mir entgegengebrachte Vertrauen und die mir übertragene Verantwortung haben mich positiv überrascht und sehr gefreut.
Wie sah eine typische Woche für mich aus?
In meiner zweiten und dritten Praktikumswoche, beides Sitzungswochen, ging dann die parlamentarische Arbeit richtig los. Jeden Morgen habe ich per E-Mail den aktuellen SPD-Pressespiegel, die dpa-Tagesvorschau und mehrmals am Tag einen Ticker sowie Eilmeldungen zugeschickt bekommen, sodass ich immer bestens über die aktuelle politische Lage im In- und Ausland informiert war.
Wie die anderen Mitarbeiter von Markus habe ich für meine Zeit hier einen eigenen Computerlogin mit Zugang zum Bundestags- und SPD-Fraktionsintranet und eine eigenen E-Mail-Adresse bekommen. So war es möglich, dass ich für Markus einige Recherche-Arbeiten übernehmen konnte, z. B. zur Vorbereitung auf sein Treffen mit einem französischen Diplomaten.
Am Montag durfte ich an der Planungsrunde von Markus und seinen Mitarbeitern teilnehmen, bei der die Termine der Woche besprochen wurden: Montags Verschiedenes, z. B. ein Gespräch einer Delegation aus Australien mit Mitgliedern des Wirtschaftsausschusses, bei dem ich auch dabei sein konnte. Dienstags finden die Sitzungen der Arbeitsgruppen statt (fraktionsintern) und mittwochs die Ausschüsse. Bei beiden durfte ich von der Besuchertribüne aus zusehen und spannende Debatten verfolgen. Besonders interessant gestaltete sich mein Praktikum durch intensive Diskussionen anlässlich des aktuellen Brexit-Chaos‘. Da Markus Mitglied im Wirtschaftsausschuss und stellvertretender Vorsitzender des Europaausschusses ist, beschäftigte uns der Brexit natürlich besonders. Weitere Highlights waren für mich insbesondere der Besuch der Partei- und Fraktionsvorsitzenden Andrea Nahles in der Arbeitsgruppe für Wirtschaft und Energie, in der auch für meine Generation aktuelle Themen wie Fridays for Future angesprochen wurden, und der Besuch von Peter Altmaier im Wirtschaftsausschuss. Dabei hat mich überrascht, wie wichtig die Ausschüsse für den Gesetzgebungsprozess sind.
Politik hautnah
Von Mittwochmittag bis Freitag finden die Plenartagungen des Bundestages statt, zu denen auch wir Praktikanten über die Besuchertriübune Zugang hatten. Leider konnte ich Markus‘ Plenarrede zu den EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei, die ich durch Recherchen mitvorbereitet hatte, nicht live verfolgen, da auf die gescheiterte Wahl einer stellvertretenden Bundestagspräsidentin der AfD ein Sitzungsunterbrechung folgte. Das Plenum hatte sich deswegen zeitlich deutlich nach hinten verschoben. Bundestagssitzungen können sich so auch bis 3 Uhr nachts erstrecken. Ein besonderes Ereignis war für mich auch der sogenannte „Hammelsprung“ zur Feststellung der Beschlussfähigkeit des Parlaments, der in meinen beiden Sitzungswochen hier gleich zweimal stattfand.
Zwischen der alltäglichen Arbeit als Abgeordneter des Bundestags hat Markus eine Videoserie für Facebook geplant, in der er mit Vorurteilen gegenüber der Europäischen Union aufräumt und zur Teilnahme an der Europawahl am 26. Mai ermuntert. Ich durfte bei dem Dreh von vier der Videos mitwirken und bei der Konzeption auch eigene Ideen einbringen.
Abgerundet wurde mein Praktikum durch das fraktionseigene Praktikantenprogramm, das wöchentlich verschiedene Projekte organisiert, wie z. B. eine Besichtigung des Willy-Brandt-Hauses, der Bundeszentrale der SPD, oder ein Planspiel zum Europäischen Parlament.
Was sind meine persönlichen Take-aways?
Positiv überrascht hat mich vor allem der lockere Umgang im Büro, aber auch zwischen Abgeordneten gleicher und verschiedener Parteien untereinander. Ich habe mich während der gesamten Zeit nicht wie die „unbedeutende, unwissende Praktikantin“ gefühlt, sondern war aktiv eingebunden in das Geschehen, soweit dies eben möglich war.
Eine gute Zukunft unserer Gesellschaft ist nur mit gesellschaftlichem Engagement und politischer Mitwirkung junger Menschen denkbar. In diesem Zusammenhang vielen Dank an meine Betreuer Eike Hortsch, Felicitas Hoster und Bianca Collier, die mir jede Frage beantwortet und mich durch das gesamte Praktikum geleitet haben. Ganz besonderer Dank gilt natürlich MdB Markus Töns. Vielen Dank, dass Du mir so viele Einblicke in Deine Arbeit ermöglicht hast!
„Die Sitzung ist geschlossen.“
P.S.: Was man auf keinen Fall vergessen sollte: Politiker sind eben auch nur Menschen. Und einige auch Schalke-Fans. 😉
Helena Averdung