Oft höre und lese ich, dass der Welthandel in der Krise steckt. Dann geht es häufig um die Sonderzölle, die Trump verhängt hat: Auf Stahl und Aluminium, bald möglicherweise auch auf Automobile. Trump behauptet, es gehe ihm bei der Einführung der Sonderzölle um die nationale Sicherheit der USA. Aber stimmt das eigentlich?
Aus meiner Sicht geht es dem US-Präsidenten um zwei ganz andere Dinge. Erstens: Trump will die nationale Industrie schützen. Der Gedanke ist klar: Wenn ausländische Produkte mit höheren Zöllen belegt sind, werden sie teurer und damit weniger wettbewerbsfähig. Das soll der heimischen Industrie zugutekommen. Was der US-Präsident nicht bedenkt: Darunter leiden auch Unternehmen in den USA, die Stahl oder Aluminium aus dem Ausland importieren und weiterverarbeiten. Trumps Strategie könnte also noch nach hinten losgehen.
Die Strategie: Zölle als politisches Druckmittel
Zweitens: Der US-Präsident benutzt Zölle ganz gezielt als politisches Druckmittel, um in Verhandlungen nationale Interessen durchzusetzen. Deutlich wurde das in den Verhandlungen über die Neuauflage der Nordamerikanischen Freihandelszone (NAFTA) mit Kanada und Mexiko und in den laufenden Verhandlungen mit China.
Genau dieselbe Strategie will Trump auch auf die EU anwenden. Sein Ziel – Verhandlungen mit der EU über ein umfassendes Freihandelsabkommen inklusive landwirtschaftlicher Produkte – konnte er bislang nicht durchsetzen. Denn die EU-Mitgliedstaaten sind der Meinung, dass Verhandlungen über Agrarprodukte nicht im gemeinsamen europäischen Interesse liegen. Indem er mit Zöllen auf Automobile droht, will Trump solche Verhandlungen doch noch erzwingen.
Trump versucht, die EU zu spalten
Dahinter steckt der gezielte Versuch, die Interessen der EU-Mitgliedstaaten gegeneinander auszuspielen. Trump weiß, dass er schwer haben wird, sich gegenüber einer geeinten Union durchzusetzen. Mich würde es deshalb nicht wundern, wenn er lieber mit jedem Mitgliedstaat einzeln verhandeln würde. Für uns Europäer ist diese Situation neu – über siebzig Jahre haben die USA die wirtschaftliche Integration Europas wohlwollend begleitet. Nun ist Trump ausgerechnet dieses vereinte Europa ein Dorn im Auge.
Die richtige Antwort: Europe United!
Wie sollten wir Europäer also reagieren? Meine Meinung ist klar: Wir müssen erkennen, dass Trump die EU spalten will, und erst recht geschlossen auftreten. Vor mehr als sechzig Jahren haben wir Europäer uns zu einem gemeinsamen Markt zusammengeschlossen. Mit mehr als 500 Millionen Menschen sind wir inzwischen der größte Binnenmarkt der Welt. Erst diese gemeinsame Stärke gibt uns das Gewicht, das wir brauchen, um Trump in Handelsfragen auf Augenhöhe zu begegnen. Gerade wir Deutschen, die politisch und wirtschaftlich besonders von der europäischen Integration profitiert haben, müssen uns das noch klarer machen.
Stärke des Rechts statt Recht des Stärkeren
Während sich die USA unter Trump immer stärker von der regelgebundenen internationalen Handelsordnung entfernen, sollten wir Europäer umso entschlossener für sie eintreten. Die WTO liefert die Basis für den regelgebundenen Handel. Sie muss dringend gestärkt und für neue Herausforderungen angepasst werden. Hier gilt es, mit gleichgesinnten Partnern wie Kanada, Japan und Australien zusammenzuarbeiten. Multilateralismus – die Überzeugung, dass man im Verbund mit anderen Staaten mehr erreicht – liegt in der DNA der Europäischen Union. Für dieses Prinzip wird die EU auch in der internationalen Handelspolitik werben. Denn auch in diesem Bereich sollte die Stärke des Rechts gelten – nicht das Recht des Stärkeren.