Seit einigen Wochen blickt die europäische Öffentlichkeit mit immer größeren Sorgen nach Großbritannien. Allabendlich überträgt auch das deutsche Fernsehen Abstimmungen des britischen Unterhauses über den Brexit. Doch worüber wird dort abgestimmt? Und was bedeuten die Abstimmungen im britischen Unterhaus für uns Kontinentaleuropäer?

Worüber stimmen die britischen Parlamentarier ab?

In der vergangenen Woche gab es insgesamt drei wichtige Abstimmungen im britischen Unterhaus:

1. Am Dienstag wurde über den Austrittsvertrag mit der EU abgestimmt. Den lehnten die Parlamentarier mehrheitlich ab.
2. Am Mittwoch wurde über einen Austritt ohne Abkommen abgestimmt. Auch das lehnten die Abgeordneten ab.
3. Am Donnerstag wurde über eine Fristverlängerung über den 29. März hinaus abgestimmt. Dem stimmten die Abgeordneten zu.

Damit scheiterte die Premierministerin, Theresa May, mit dem Austrittsabkommen bereits zum zweiten Mal im Parlament.

Was bedeuten diese Abstimmungsergebnisse für uns und die Europäische Union?

Die Abgeordneten haben erneut deutlich gemacht, dass sie den Austrittsvertrag, den die britische Regierung mit der Europäischen Kommission ausgehandelt hat, ablehnen. Leider sagt das Ergebnis der Abstimmung aber noch nichts darüber aus, was die britischen Abgeordneten konkret ändern wollen. Für uns Europäer der verbleibenden Mitgliedstaaten wird das immer mehr zum Problem: Denn solange die britische Regierung und das britische Parlament keinen belastbaren Plan für einen Ausstieg haben, wissen wir nicht, auf welches künftige Verhältnis wir uns einstellen können.

Weiterhin gibt es im britischen Unterhaus weder für eine realistische Ausstiegsoption noch für ein zweites Referendum eine Mehrheit. Am 19. März will Theresa May ihren Austrittsvertrag erneut zur Abstimmung vorlegen. Wir stehen damit so ziemlich an dem gleichen Punkt wie zu Beginn des Jahres.

Wie kann es weitergehen?

Für uns Europäer der verbleibenden Mitgliedstaaten stellt sich die Frage, wie wir den weiteren Prozess gestalten wollen. Die Briten wünschen sich eine Verlängerung. Für mich ist klar, dass es diese nicht ohne Bedingungen geben kann. Eine Verlängerung ist problematisch, weil wir am 26. Mai das Europäische Parlament neu wählen. Sollte Großbritannien zu diesem Zeitpunkt noch nicht ausgeschieden sein, müssten auch in Großbritannien Europawahlen durchgeführt werden. Denn solange Großbritannien Mitglied in der Europäischen Union ist, haben die Britinnen und Briten die gleichen Rechte wie alle anderen Bürgerinnen und Bürger Europas. Hierzu zählt auch das Wahlrecht.

Für mich gibt es deshalb nur zwei realistische Optionen einer Verlängerung:

1.) Möglich wäre eine Verlängerung bis kurz vor den Wahlen zum Europäischen Parlament. Diese zusätzlichen Wochen würden wahrscheinlich gerade reichen, um die notwendige Gesetzgebung für einen Austritt mit Vertrag auf britischer Seite abzuschließen. Das würde aber voraussetzen, dass das britische Parlament vorher dem Austrittsvertrag zugestimmt hat.

2.) Die zweite Option wäre eine deutlich längere Frist – vielleicht ein ganzes Jahr. Eine solche Verlängerung würde es der britischen Regierung ermöglichen, ihre Haltung über den Brexit zu klären. Vielleicht würde die Zeit auch für die Durchführung eines zweiten Referendums reichen. Sollte die britische Regierung sich für diese Option entscheiden, muss Großbritannien aber auch die Wahlen zum Europäischen Parlament durchführen. Das Vereinigte Königreich wäre in dieser Zeit ein ganz normales Mitgliedsland und britische Kandidaten würden ins Europaparlament einziehen.

Order!

Der Ordnungsruf des Sprechers des britischen Unterhauses – Order! – scheint noch nicht alle Abgeordneten erreicht zu haben. Für die Menschen in Europa ist es wichtig, dass die britische Regierung und das britische Parlament endlich zu einer gemeinsamen Haltung finden. Die Abgeordneten haben auch eine Verantwortung ihrem Land und Europa gegenüber, die sie nicht leichtfertig ignorieren können. Großbritannien darf nicht länger ganz Europa im Unklaren lassen, wie die Zukunft aussehen kann.